Jeder
Mensch hat seine ganz persönliche Lebens-, Liebes- und Leidensgeschichte. Am
Kreuzweg Jesu treffen wir auch auf die Kreuzwege der Welt, auf unseren eigenen
Kreuzweg. Wir schreien mit Jesus: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Du Herr, du trägst
nicht nur dein Kreuz, du kreuzt auch meine Wege, um mir zu begegnen. Am Kreuz
werde ich in diesem Leben nie vorbeikommen, aber ich werde es mit dir tragen
können.
Am Beginn jeder Station das Gebet:
Vorbeter: Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und
preisen dich,
Alle: denn durch dein heiliges Kreuz
hast du die ganze Welt erlöst.
1.
Station – Gekommen ist die Stunde L1 Jesus ging ein Stück weiter, warf sich zu Boden und betete: Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. (Mt 26,39)
L2 Jesus, der dort kniet, ist nun ganz
einsam. Zuerst waren zwölf Jünger bei ihm, dann elf, schließlich nur noch drei;
jetzt schlafen auch sie. Im Gebet wendet Jesus sich an seinen himmlischen
Vater: „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen“. Er weiß, dass er bald in die
Gewalt der Menschen geraten wird, die ihn quälen und töten werden. Er hat
Angst. Und doch öffnet er seine Hände zum Gebet. Er übergibt sich dem
himmlischen Vater. Nach dem Gebet erhebt sich Jesus, rüttelt seine Jünger wach
und sagt: „Steht auf! Der Verräter ist da!“
A. Herr Jesus Christus, es gibt viele Menschen,
die in ihrer Einsamkeit niemanden haben, der zu ihnen hält. Schenke ihnen und
uns die Kraft des Glaubens, damit wir uns erheben aus Angst, Schuld, Verzweiflung
und Freudlosigkeit. Lass uns im Vertrauen auf deine Hilfe einander beistehen
und unseren Lebensweg mutig auf uns nehmen.
2. Station – Jesus legt vor den
Hohenpriestern Zeugnis ab
L1 Die Hohenpriester und der ganze Hohe Rat
bemühten sich um falsche Zeugenaussagen gegen Jesus, um ihn zum Tod verurteilen
zu können. Sie erreichten aber nichts, obwohl viele falsche Zeugen auftraten. …
Darauf sagte der Hohepriester zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen
Gott, sag uns: Bist du der Messias, der Sohn Gottes? Jesus antwortete: Du hast
es gesagt. … Da rief der Hohepriester: Er hat Gott gelästert! Wozu brauchen wir
noch Zeugen? Jetzt haben wir die Gotteslästerung selbst gehört. Was ist eure
Meinung? Sie antworteten: Er ist schuldig und muss sterben. (vgl. Mt 26,59-66)
L2 Die Hohenpriester meinten: Wo Gott ist, da ist Macht! Ein
Machtloser kann nicht Gottes Sohn sein, kann nicht der Christus sein! Diese
Meinung zieht sich durch alle Lebensalter. Doch wir spüren, dass der Mann, auf
den sie herabschauen, eine Macht ausstrahlt - trotz aller Fesseln, Schläge und
Beschimpfungen! Es ist die Macht der Liebe.
A. Herr Jesus
Christus, auch heute noch kann es geschehen, dass Menschen vor weltlichen und
kirchlichen Richtern stehen, die aus Verblendung und Machtgelüsten ungerechte
Urteile fällen. Du stehst auf der Seite der Leidenden. Bewahre uns vor
Rachsucht. Gib uns ein weises Herz, damit wir gerecht handeln und in jedem
Menschen dich erkennen.
A.
erbarme dich über uns und über die ganze Welt.
3. Station – Jesus wird verurteilt
L1
Pilatus fragte Jesus: Woher stammst du? Jesus aber gab ihm keine
Antwort. Da sagte Pilatus zu ihm: Du sprichst nicht mit mir? Weißt du nicht,
dass ich Macht habe, dich freizulassen, und Macht, dich zu kreuzigen? Jesus
antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben
wäre; darum liegt größere Schuld bei dem, der mich dir ausgeliefert hat. (vgl.
Joh 19,8-11)
L2 Pilatus glaubt, Macht zu haben. In
Wirklichkeit hat er Angst. Wider besseres Wissen verurteilt er Jesus. Er lässt
sich von der aufgehetzten Menge den Schuldspruch diktieren. Er will die ihm vom
Kaiser verliehene Macht nicht aufgeben. Jesus bleibt seinem Auftrag treu. Er nimmt
die ungerechte Verurteilung in Würde auf sich.
A.
Herr Jesus Christus, du zeigst uns, dass es nicht auf Äußerlichkeiten
ankommt, um Würde zu bewahren. Die Größe eines Menschen liegt in seinem
Inneren. Auch heute noch werden viele aus Unverständnis und blindem Gehorsam
unmenschlich behandelt. Steh du diesen Menschen bei in ihrer Qual und hilf uns,
dass wir nie die Würde eines Menschen verletzen, die ein Geschenk von dir ist.
V. Herr Jesus Christus, ungerecht verurteilt,
A.
erbarme dich über uns und über die ganze Welt.
4. Station – Preisgegeben
L1 Simeon sagte zu Maria, der Mutter Jesu:
Dieser ist dazu bestimmt, dass viele durch ihn zu Fall kommen und viele
aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.
Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber
wird ein Schwert durch die Seele dringen. (Lk 2,34f)
L2 Doch es scheint, dass Jesus selbst zu Fall
kommt. Einzig und allein die Verheißung über den Schmerz seiner Mutter scheint
sich zu erfüllen. Maria kauert am Wegrand, die Hände geöffnet und kann doch
nicht helfen. Den Glauben an die Verheißung – sollen wir ihn aufgeben? Wird er
sich erfüllen? Maria bleibt stark.
A. Herr Jesus Christus, du lehrst uns, auf die
Verheißungen der Hl. Schrift zu vertrauen. Wie Maria wollen wir in den
Herausforderungen unseres Lebens aushalten und das unabwendbare Leid ertragen.
Wir wissen, mit dir gehen wir der Vollendung entgegen.
V. Herr Jesus Christus, dem Leiden preisgegeben,
A.
erbarme dich über uns und über die ganze Welt.
5. Station – Mittragen
L1 Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu
kreuzigen. Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Zyrene, den Vater des
Alexander und des Rufus, zwangen sie, das Kreuz Jesu zu tragen. (vgl. Mk
15,20b-21)
L2 Gezwungenermaßen mittragen! Oftmals kommen
wir „zufällig“ in Lebenssituationen, in denen wir nicht anders können, als zu
helfen. Beziehungslos – gezwungen oder
mit innerer Hingabe?
Jesus
wendet sich dem Simon zu, und der Mann aus Zyrene?
Er erwidert den Blick mit einer
Herzensentscheidung. Sein Leben und das seiner Familie bekommen einen neuen
Sinn. Sie werden zu Jüngern Jesu.
A. Herr Jesus
Christus, Mittragen ist ein Liebesdienst, der uns Menschen oft schwer fällt. Lieber
wegschauen ist die Devise vieler unserer Zeit. Lass uns Simon ein Vorbild sein!
So wie er wollen wir mit dir in Beziehung treten, indem wir Menschen
unterstützen, die uns brauchen.
V. Herr Jesus Christus, der du Hilfe annimmst,
A.
erbarme
dich über uns und über die ganze Welt.
6. Station – Leid der Welt
L1 Es folgte eine große Menschenmenge, darunter
auch Frauen, die um ihn klagten und weinten. Jesus wendete sich zu ihnen um und
sagte: Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich; weint über euch und
eure Kinder! (vgl. Lk 23,27f)
L2 Eine Frau tritt aus der Menge. Sie berührt
das Kreuz Jesu. Mit ihren Händen verbindet sie Christus mit den weinenden
Menschen. Ein Bild der Hoffnung. Jesus geht auf die Erlösung zu und nimmt alles
Leid der Welt mit sich. Auch das zukünftige. Sein inniger Blickkontakt und die
Kreuzes-berührung der Veronika bedeuten Stärkung für unser Leben.
A. Herr Jesus
Christus, das Leid in der Welt berührt uns. Mit unserem Gebet verbinden wir uns
mit all den vielen Opfern der Kriege, des Terrors, der Gewalt in den Familien. Auch
mit den Hungernden, den Flüchtlingen und denen, die durch die
Konsumgesellschaft Schaden erleiden, verbinden wir uns im Gebet.
V. Herr Jesus Christus, der du Hoffnung
spendest,
A.
erbarme dich über uns und über die ganze Welt.
7. Station – Umfangen
L1 Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und
die Schwester seiner Mutter Maria, die Frau des Klopas und Maria von Magdala.
Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu
seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe,
deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. … Als Jesus
von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das
Haupt und gab seinen Geist auf. (Joh 19,25-27;30)
L2 Das Kreuz wird aufgerichtet. Der lebenspendende
Gott umfängt den Gekreuzigten mit dem österlichen Licht. Gerade durch seinen
Tod wird Christus zum Licht der Welt. Denn das Dunkel des Leidens wird durch
die ewige Liebe gewandelt.
A.
Herr Jesus, du nimmst auch uns durch dein Leiden und deinen Tod hinein
in das ewige Leben. Wie die Getreuen unter dem Kreuz damals, dürfen wir
Menschen heute uns umfangen wissen von deiner Liebe. Dafür danken wir dir.
V. Gekreuzigter Herr
Jesus Christus,
A. erbarme dich über uns und über die ganze
Welt
Bilder:
Wegkapellen Blasiusberg – Mosaike von Maria Storch
Fotos:
Fotostudio Stanger
Texte und Gebete: Pfr. Christoph Pernter OPraem